Sonderbericht Indieneinsatz: Ein “Urlaub” der anderen Art…

Menschen das Leben, zerstörten manche Orte mehr oder minder
stark und tilgten manche ganz aus den Landkarten.

Dies war die Situation, in der das Technische Hilfswerk (THW) im Auftrag des
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit in den ersten Februartagen
in der Stadt Bhuj im Bundesstaat Gujarat begann, Trinkwasseraufbereitungsanlagen
zu errichten, um die Versorgung zumindest eines Teiles der Bevölkerung
mit Trinkwasser sicher zu stellen.

Herr Christian Knaack, Mitarbeiter der OE 633 in München und nebenbei
ehrenamtlicher Helfer im THW befand sich im Zuge dieses Hilfeprojektes der
Bundesregierung vom 23. April bis 22. Mai 2001 in dem Erdbebengebiet in Indien.
Zu den Aufgaben des THW hatte sich neben der Trinkwasseraufbereitung inzwischen
auch die Projektleitung für die Errichtung von Pumpstationen und stationären
Filter- und Chlordosierungsanlagen gesellt, die gewährleisten sollen,
dass die Trinkwasserqualität auch nach Beendigung des THW-Einsatzes erhalten
bleibt. Neben dem technischen Part suchte das THW daher auch nach Helfern,
die vor Ort mit den Behörden und örtlichen Bauunternehmen Verträge
in englischer Sprache ausarbeiten konnten.

Die Anreise des acht Mann starken
THW-Teams erfolgte per Flugzeug von Stuttgart über
Amsterdam und Bombay nach Bhuj. Der Militärflughafen von Bhuj bot einen
ersten Vorgeschmack auf die Folgen des Erdbebens. Von dem ursprünglich
mehrgeschossigen Abfertigungsgebäude stand nur noch das Erdgeschoss, der
Rest war zertrümmert. Dieser Eindruck von Zerstörung in ungekanntem
Ausmaß hielt die gesamten 4 Wochen an. Die Eindrücke erinnerten
fatal an Bilder von zerstörten Städten bei kriegerischen Auseinandersetzungen.
Zertrümmerte und total zerstörte Stadtteile wechselten mit provisorischen
Zeltlagern, die nach dem Beben auf Initiative der UNO durch das internationale
Rote Kreuz und andere Sanitätsorganisationen errichtet wurden. Ein beklemmender
Gedanke, dass für Tausende von Opfern diese Zeltlager mit hoher Wahrscheinlichkeit
die letzte einigermaßen feste Behausung darstellen werden. Es laufen
zwar auch internationale Projekte für den Bau von erdbebensicheren Fertighäusern,
aber das Ausmaß der Katastrophe sprengt einfach jeden Rahmen.

Wir THW-Helfer waren – auch aus Sorge vor eventuellen Nachbeben, die auch
regelmäßig eintraten – in einem eigenen Zeltlager vergleichsweise
komfortabel untergebracht. Als erstes war wichtig, sich an die große,
wenn zum Glück auch trockene Hitze zu gewöhnen. Bei bis zu 52 °C
im Schatten werden selbst körperlich einfachste Belastungen erst einmal
zu einer Herausforderung. Wichtig war dabei, auch über das eigene Durstempfinden
hinaus zu trinken. Zehn bis fünfzehn Liter Flüssigkeit täglich
waren die Regel. Ein kulinarische Erlebnis war hingegen die rein vegetarische
indische Küche, die bedenkenlos weiterempfohlen werden kann.

Es ist kaum möglich, die Vielzahl der Eindrücke in einem dem Leser
zumutbaren Umfang wieder zu geben. Es war ein faszinierendes Erlebnis, ein
derart exotischen Land wie Indien auf eine Art und Weise kennen zu lernen,
wie es für einen Touristen nur schwer möglich ist. Unglaublich positiv
ist mir die überwältigende Hilfsbereitschaft und die trotz der schwierigen
Situation beeindruckende Fröhlichkeit der indischen Bevölkerung aufgefallen.
Ebenso interessant sind die Gegensätze, die sich einem allenthalben offenbaren.

Indien ist alles andere als ein klassisches Entwicklungsland. Von Aspirin
bis zur Tonerkartusche für den Laserdrucker ist alles erhältlich.
Wir selbst wohnten in einem Zeltlager auf der Wiese, ausgerüstet mit PC
und Internet-Anschluss. Neben einer, auch für unsere Verhältnisse
reichen Oberschicht ist die vorhandene Armut weiter Bevölkerungsteile
nicht zu übersehen. Dies hängt vor allem mit den fehlenden Systemen
zur sozialen Sicherung zusammen, was sich wiederum z. T. dadurch erklärt,
dass nach gängiger Meinung des Hinduismus ohnehin jeder durch die Summe
der guten und schlechten Taten in vorherigen Leben selbst für seine jetzige
Situation verantwortlich ist. Damit sind wir bei dem großen Einfluss,
den Religion und Kastenwesen im täglichen Leben spielen. Das geht soweit,
dass traditionelle Anhänger der in Gujarat führenden Glaubensrichtung
den Boden vor sich kehren, um ja kein Kleinstlebewesen zu verletzen oder zu
töten. Das bedeutet aber nicht, dass nicht direkt daneben eine nach neuester
westlicher Mode gekleidete Frau eifrig SMS in ihr Handy tippen könnte.
Gegensätze…

Schade war eigentlich nur, dass aufgrund des zu erledigenden Arbeitspensums
kaum Zeit blieb, etwas mehr von der eine sehr eigene Faszination ausstrahlenden,
wüstenartigen Landschaft zu erleben. Dies wurde allerdings mehr als aufgewogen
durch das gute Gefühl, sinnvoll helfen zu können. Und auch unsere
indischen Partner waren beeindruckt, dass jemand aus einem weit entfernten
Land freiwillig und ohne materiellen Nutzen dorthin kommt, um zu helfen.

Und an dieser Stelle auch ein Dankeschön an meine Kollegen, meine Vorgesetzten
und (ja, warum nicht) an dieses Unternehmen, die mich unkompliziert (!) und
komplikationslos für diesen Auslandseinsatz freigestellt haben, trotz
einer verhältnismäßig kurzen Vorlaufzeit von zwei Wochen zwischen
der Einteilung zu diesem Einsatz und der Abreise.